(Dander, Patrizia: Ziemlich vermessen, in: Raphaela Vogel, hg. von Milena Mercer et al., Ausst.-Kat. Basel, Kunsthalle Basel, 18.05 bis 12.08.2018; Erlangen, Kunstpalais, 30.06. bis 09.09.2018; Düren, Leopold-Hoesch-Museum, 23.09. bis 25.11.2018, Köln 2018, S. 67-87, S. 77.)
„Die Fragilität, die den Fadenverbindungen zugrunde liegt, korrespondiert mit der Bewegungsfähigkeit der Textilien. Die Materialanfälligkeit ist sozusagen der Preis, den man für ihre räumliche Manipulierbarkeit zahlt. Der Repräsentationswert textiler Medien im öffentlichen Raum liegt aufgrund ihrer Zeitanfälligkeit denn auch nicht in einer permanenten Monumententauglichkeit, sondern in einem spontanen Erscheinungstableau. Sie moderieren eine Situation und einen Anlass dadurch, dass sie kurzfristig gezeigt werden, um dann auch wieder länger nicht gezeigt zu werden. Beides gehört zusammen und bildet eine eigene Form von geschichtsfähiger Monumententauglichkeit: Es ist die Epiphanie des Anderen, des Besonderen, die mit mit ihrem Erscheinen im öffentlichen Raum verbunden ist. Ableitbar aus dem frühen Einsatz religiös-ritueller Prozessionen: Wenn sie ehemals von der Epiphanie des Göttlichen kündeten, sind sie allmählich pars pro toto selbst zum Zeichen von Besonderheit geworden. Aber diese Zeichenhaftigkeit von Besonderheit ist eng verknüpft mit der Abwesenheit dieser, indem sie wieder aus dem öffentlichen Raum entfernt werden. Sie taugen nicht in präsentischer Dauer zum monumenthaften Memorialzeichen. Ihre Dauer liegt in der Perpetuierung von Zeigen und Nichtzeigen, von Besonderheit und Normalität. Dabei ist nicht das Einzelzeichen der Akteur, sondern die Teppiche, Behänge, Tragehimmel und Fahnen können ersetzt, ausgebessert oder neu konstelliert werden. Entscheidend sind hier die Akteur*innen, die insofern die Monumente leisten, als sie in den jeweiligen performativen Akten die Festtextilien zeigen, tragen und ausstellen, um darin deren Präsenz herzustellen. Wenn ein Memorialzeichen wie ein steinernes Monument steht, weil es an einem prominenten urbanen Platz aufgestellt wurde, dann wird ein textiles Monument getragen oder inszeniert, immer aber bewegt oder der Bewegung ausgesetzt.“
(aus der Habilitationsschrift soft architecture – Zu einer Beschreibung Textiler Architektur, Dr. Heidi Helmhold, S. 10)
Zu Nicole Eisenman’s Brunnen (Material und Monument) hier: Nicole Eisenman, Sketch for a Fountain, 2017, Skulptur Projekte Münster
Zu Kara Walker’s Brunnen (Geschichte – Erinnerung und Monument) hier: Kara Walker, Fons Americanus, 2019, Tate Modern
Zu Raphaela Vogel’s In festen Händen hier: Video Installation und Tonaufnahme, Motorenhalle Dresden, 2016
12. März 2020